Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Entschädigungs- und Restitutionsangelegenheiten / Vermögensverkehrsstelle, Vermögensanmeldungen

Personen, die nach den Nürnberger GesetzenAls Nürnberger Gesetze werden zwei Gesetze bezeichnet, die auf dem 7. Reichsparteitag der NSDAP verabschiedet wurden und als zentrale juristische Bausteine der antisemitischen Ideologie des NS-Systems gelten: das Reichsbürgergesetz und das sogenannte Blutschutzgesetz. Das Reichsbürgergesetz (vgl. RGBl I 1935, S. 1146) führte eine Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen und Reichsbürgern ein. Reichsbürger konnten nur Staatsangehörige "deutschen oder artverwandten Blutes" sein. In der 1. Ausführungsverordnung zum Gesetz (vgl. RGBl I 1935, S. 1333f) wurde definiert, wer im NS-Staat als Jude zu gelten hatte. Das Blutschutzgesetz (vgl. RGBl I 1935, S. 1146f) verbot u.a. die Eheschließung zwischen Juden und Nichtjuden. In Österreich wurden die Nürnberger Gesetze am 20.5.1938 in Kraft gesetzt (vgl. GBlÖ Nr. 150/1938). (vgl. RGBl I 1938, S. 594f) als Juden galten, mussten laut Verordnung v. 26.4.1938 ihr Vermögen anmelden und bewerten (vgl. RGBl I 1938, S. 414). Der Bestand enthält Akten zu Juden aus Wien, oft allerdings auch Mappen mit spärlichen Hinweisen auf andere mögliche Aufbewahrungsorte (etwa: "Akt abgetreten an NiederdonauNiederdonau war jene NS-Verwaltungseinheit, die das heutige Bundesland Niederösterreich sowie das nördliche Burgenland (Bezirke Neusiedl, Eisenstadt, Mattersburg und Oberpullendorf) sowie ab 1939 die Bezirke Südmährens (Nikolsburg, Znaim und Neubistritz) umfasste."; zuweilen finden sich in ansonsten leeren Mappen auch Hinweise (Dienstzettel), dass Akten an die Zweigstelle der VermögensverkehrsstelleDie im Mai 1938 eingerichtete Vermögensverkehrsstelle (VVSt) sollte die kontrollierte und legale "Entjudung" der österreichischen Wirtschaft in die Wege leiten und weitere "wilde" Arisierungen vereiteln (vgl. GBlÖ Nr. 139/1938). Die VVSt war eine der zentralen Institutionen zur Durchführung des systematischen Vermögensentzugs im NS-System. Arisierungen durften ab Mai 1938 nur mehr mit ihrer Genehmigung durchgeführt werden. Ihr Leiter war der Staatskommissar in der Privatwirtschaft Walter Rafelsberger. in der Steiermark etc. abgetreten worden waren, auch an diverse Ministerien oder Ämter in Berlin).
Von den ca. 65.800 Mappen beziehen sich ca. 48.200 auf Personen (mit Angaben zum Geburtsdatum), davon befinden sich jedoch ca. 2.890 mit einem * gekennzeichnete VermögensanmeldungenJuden im Sinne der Nürnberger (Rasse-)Gesetze wurden durch die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden nach dem Stand vom 27. April 1938 (vgl. RGBl I 1938, S. 414) verpflichtet, ihr Vermögen – sofern es einen Wert von RM 5.000 überstieg – vor den NS-Behörden durch die Abgabe einer Vermögensanmeldung offenzulegen. Die Vermögensanmeldungen (VA) bilden eine der wichtigsten Grundlagen für den Vermögensentzug durch das NS-System und sind daher auch heute eine zentrale Quelle für Recherchen in diesem Bereich. in aller Regel nicht im Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik, sondern in verschiedenen Landesarchiven: im Niederösterreichischen Landesarchiv (hier finden sich neben den niederösterreichischen Vermögensanmeldungen auch einige Vermögensanmeldungen aus dem Nordburgenland und einem kleinen Teil der ehemaligen Tschechoslowakei), im Steiermärkischen Landesarchiv (hier finden sich die Vermögensanmeldungen aus Kärnten und dem Südburgenland), im Salzburger Landesarchiv und im Oberösterreichischen Landesarchiv.
Die Akten enthalten in der Regel ein Formular, das persönliche Daten enthält sowie nach Vermögenskategorien (Land- und Forstwirtschaftliches Vermögen, Immobilienvermögen, Firmenvermögen, Vermögen aus Wertpapieren (Aktien, Anleihen etc.), Forderungen, Geldguthaben bei Banken, Bargeld, Versicherungen, Einkommen und Pensionen (kapitalisiert), Mobilien (Schmuck, Kunstwerke, Autos etc.) und schließlich Schulden gegliedert ist.
Die Akten enthalten auch Hinweise auf Veränderungen des Vermögens (bis zur Vertreibung bzw. Deportation), Hinweise auf Beschlagnahmungen, Reichsfluchtsteuerbescheide (vgl. RGBl I 1931, S. 699ff), Bescheide zur Zahlung der JudenvermögensabgabeNach dem Novemberpogrom von 1938 wurde den deutschen Juden eine Zwangsabgabe von 1 Mrd. RM als "Sühneleistung" für "die feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Volk" auferlegt (vgl. RGBl I 1938, S. 1579). Die Durchführungsverordnung (vgl. RGBl I 1938, S. 1638ff) regelte den Modus der Umlage dieser Summe auf alle jüdischen Bürger auf der Grundlage der Vermögensanmeldung vom Frühjahr 1938. Wer über mehr als RM 5.000 verfügte, musste bis zum 15.8.1939 20% dieses Vermögens an das Finanzamt abführen. (JUVAJudenvermögensabgabe) (vgl. RGBl I 1938, S. 1579), Schätzgutachten zu Immobilien, Kunstsammlungen und – im Falle von Firmen oder Immobilienvermögen – auch Arisierungsbescheide der VVStVermögensverkehrsstelle mit Hinweisen auf die Namen der Käufer.
Literatur:
Alexander Mejstrik/Therese Garstenauer/Peter Melichar/Alexander Prenninger/Christa Putz/Sigrid Wadauer: Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit. Vom österreichischen Berufsleben 1934 zum völkischen Schaffen 1938-1940, S. 535–540
(online zugänglich unter: https://http://hiko.univie.ac.at).

http://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=5784

Standort:Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA) / Archiv der Republik (AdR)
Provenienz:VVStVermögensverkehrsstelle
Träger:Flachware/Original
Umfang:65.800 Mappen
Zeitraum: 1938–1945
Ordnung:numerisch
Anmerkungen:Die 65.800 Mappen füllen 183 Kartons.

Hilfsmittel für die Suche im Bestand (Findbehelf):


Ansprechperson(en):